Bundesgesetzblatt Jahrgang 2013 Teil I Nr. 25, ausgegeben zu Bonn am 27. Mai 2013
Verordnungüber die Berufsausbildungzum Orthopädietechnik-Mechaniker und zur Orthopädietechnik-Mechanikerin(Orthopädieausbildungsverordnung – OrthAusbVO)*
Vom 15. Mai 2013
Auf Grund des § 25 Absatz 1 Satz 1 der Handwerksordnung,der zuletzt durch Artikel 146 der Verordnungvom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407) geändertworden ist, verordnet das Bundesministerium für Wirtschaftund Technologie im Einvernehmen mit dem Bundesministeriumfür Bildung und Forschung:
§ 1
Staatliche
Anerkennung des Ausbildungsberufes
Der Ausbildungsberuf des Orthopädietechnik-Mechanikers
und der Orthopädietechnik-Mechanikerin
wird nach § 25 der Handwerksordnung zur Ausbildung
für das Gewerbe Nummer 35 der Anlage A der Handwerksordnung
staatlich anerkannt.
§ 2
Dauer der Berufsausbildung
Die Ausbildung dauert drei Jahre.
§ 3
Struktur der Berufsausbildung
Die Berufsausbildung gliedert sich in gemeinsame
Ausbildungsinhalte und die Ausbildung in einem der
Schwerpunkte
1. Prothetik,
2. Individuelle Orthetik oder
3. Individuelle Rehabilitationstechnik.
§ 4
Ausbildungsrahmenplan, Ausbildungsberufsbild
(1) Gegenstand der Berufsbildung sind mindestens
die im Ausbildungsrahmenplan (Anlage) aufgeführten
Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (berufliche
Handlungsfähigkeit). Eine von dem Ausbildungsrahmenplan
abweichende Organisation der Ausbildung ist
insbesondere zulässig, soweit betriebspraktische Besonderheiten
die Abweichung erfordern.
(2) Die Berufsausbildung zum Orthopädietechnik-
Mechaniker und zur Orthopädietechnik-Mechanikerin
gliedert sich in
1. Berufsprofilgebende Fertigkeiten, Kenntnisse und
Fähigkeiten sowie
2. Integrative Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten.
(3) Berufsprofilgebende Fertigkeiten, Kenntnisse
und Fähigkeiten sind:
1. Anwenden von Techniken im Herstellungsprozess
orthopädietechnischer Hilfsmittel:
a) Anfertigen und Anwenden technischer Unterlagen,
b) Handhaben und Pflegen von Werkzeugen, Maschinen
und technischen Einrichtungen,
c) Beurteilen, Messen, Prüfen und Einsetzen von
Werkstoffen,
d) Manuelles und maschinelles Bearbeiten von
Materialien und Behandeln von Oberflächen,
e) Fügen von Bauteilen,
2. Durchführen von orthopädietechnischen Maßnahmen
im direkten Patientenkontakt:
a) Beurteilen anatomischer, physiologischer, biomechanischer
und pathologischer Gegebenheiten,
b) Betreuen von Patienten und Beraten von Fachkreisen,
c) Digitales und manuelles Messen, Analysieren und
Abformen am menschlichen Körper, d) Orthopädietechnische Hilfsmittel nach Aufbau,
technischen Standards, Wirkungsweise und Verwendungszweck
auswählen,
3. Digitales und manuelles Modellieren und Nachbilden
von Körperteilen zur Herstellung orthopädietechnischer
Hilfsmittel,
4. Durchführen von Maß-, Fertigungs- und Versorgungstechniken
im Bereich Bandagen, Kompressionsstrumpfversorgung,
Stoma, Inkontinenz und Dekubitus,
5. Konstruieren, Aufbauen und Anpassen von orthopädietechnischen
Hilfsmitteln,
6. Instandhalten von Prothesen, Orthesen und rehabilitationstechnischen
Geräten.
(4) Integrative Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten
sind:
1. Berufsbildung, Arbeits- und Tarifrecht,
2. Aufbau und Organisation des Ausbildungsbetriebes,
3. Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit,
4. Umweltschutz,
5. Betriebliche und technische Kommunikation, Patientendatenschutz,
6. Anwenden fachbezogener rechtlicher Vorschriften
und Normen,
7. Planen und Organisieren von Arbeitsabläufen,
8. Durchführen qualitätssichernder Maßnahmen.
§ 5
Durchführung der Berufsausbildung
(1) Die in dieser Verordnung genannten Fertigkeiten,
Kenntnisse und Fähigkeiten sollen so vermittelt werden,
dass die Auszubildenden zur Ausübung einer
qualifizierten beruflichen Tätigkeit im Sinne von § 1 Absatz
3 des Berufsbildungsgesetzes befähigt werden,
die insbesondere selbstständiges Planen, Durchführen
und Kontrollieren einschließt. Diese Befähigung ist
auch in den Prüfungen nach den §§ 6, 7 und 8 nachzuweisen.
(2) Die Ausbildenden haben unter Zugrundelegung
des Ausbildungsrahmenplans für die Auszubildenden
einen Ausbildungsplan zu erstellen.
(3) Die Auszubildenden haben einen schriftlichen
Ausbildungsnachweis zu führen. Ihnen ist Gelegenheit
zu geben, den schriftlichen Ausbildungsnachweis während
der Ausbildungszeit zu führen. Die Ausbildenden
haben den schriftlichen Ausbildungsnachweis regelmäßig
durchzusehen.
§ 6
Gesellenprüfung
Die Gesellenprüfung besteht aus den beiden zeitlich
auseinanderfallenden Teilen 1 und 2. Durch die Gesellenprüfung
ist festzustellen, ob der Prüfling die berufliche
Handlungsfähigkeit erworben hat. In der Gesellenprüfung
soll der Prüfling nachweisen, dass er die dafür
erforderlichen beruflichen Fertigkeiten beherrscht, die
notwendigen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten
besitzt und mit dem im Berufsschulunterricht zu vermittelnden,
für die Berufsausbildung wesentlichen Lehrstoff
vertraut ist. Die Ausbildungsordnung ist zugrunde
zu legen. Dabei sollen Fertigkeiten, Kenntnisse und
Fähigkeiten, die bereits Gegenstand von Teil 1 der
Gesellenprüfung waren, in Teil 2 der Gesellenprüfung
nur insoweit einbezogen werden, als es für die Feststellung
der Berufsbefähigung erforderlich ist.
§ 7
Teil 1 der Gesellenprüfung
(1) Teil 1 der Gesellenprüfung soll zum Ende des
zweiten Ausbildungsjahres stattfinden.
(2) Teil 1 der Gesellenprüfung erstreckt sich auf die
in der Anlage für die ersten drei Ausbildungshalbjahre
aufgeführten Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten
sowie auf den im Berufsschulunterricht zu vermittelnden
Lehrstoff, soweit er für die Berufsausbildung wesentlich
ist.
(3) Teil 1 der Gesellenprüfung besteht aus den Prüfungsbereichen:
1. Herstellen orthopädietechnischer Hilfsmittel nach
Modell und Abgabe von Hilfsmitteln und
2. Werkstoffe und Fertigungstechnik.
(4) Für den Prüfungsbereich Herstellen orthopädietechnischer
Hilfsmittel nach Modell und Abgabe von
Hilfsmitteln bestehen folgende Vorgaben:
1. Der Prüfling soll nachweisen, dass er in der Lage ist,
a) technische Unterlagen anzufertigen und anzuwenden,
b) Maße einzuhalten,
c) Materialien und Werkzeuge auszuwählen,
d) Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit
zu beachten,
e) Materialien maschinell und manuell zu bearbeiten
und zu fügen;
2. hierfür sind aus folgenden Tätigkeiten zwei auszuwählen:
a) Herstellen eines orthopädischen Hilfsmittels oder
Bauteils für die unteren Extremitäten,
b) Herstellen eines orthopädischen Hilfsmittels oder
Bauteils für die oberen Extremitäten,
c) Herstellen eines orthopädischen Hilfsmittels oder
Bauteils für den Rumpf;
3. der Prüfling soll zwei Arbeitsproben durchführen,
deren Prüfungszeit 6 Stunden und 30 Minuten beträgt;
4. darüber hinaus soll der Prüfling nachweisen, dass er
in der Lage ist, Patienten in Gebrauch und Wirkungsweise
eines Hilfsmittels einzuweisen;
5. der Prüfling soll eine Gesprächssimulation durchführen,
deren Prüfungszeit höchstens 20 Minuten beträgt;
6. bei der Ermittlung des Ergebnisses für den Prüfungsbereich
sind die Leistungen der beiden Arbeitsproben
mit 50 Prozent und die Leistungen in
der Gesprächssimulation mit 50 Prozent zu gewichten.
(5) Für den Prüfungsbereich Werkstoffe und Fertigungstechnik
bestehen folgende Vorgaben:
1. Der Prüfling soll nachweisen, dass er in der Lage ist,
a) technische Unterlagen zu interpretieren, b) Werkstoffe und Hilfsstoffe nach Eigenschaften zu
unterscheiden,
c) technische Berechnungen durchzuführen und
Messverfahren darzustellen;
2. der Prüfling soll Aufgaben schriftlich bearbeiten;
3. die Prüfungszeit beträgt 90 Minuten.
§ 8
Teil 2 der Gesellenprüfung
(1) Teil 2 der Gesellenprüfung erstreckt sich auf die
in der Anlage aufgeführten Fertigkeiten, Kenntnisse und
Fähigkeiten sowie auf den im Berufsschulunterricht zu
vermittelnden Lehrstoff, soweit er für die Berufsausbildung
wesentlich ist.
(2) Teil 2 der Gesellenprüfung besteht aus den Prüfungsbereichen:
1. Konstruieren eines orthopädietechnischen Hilfsmittels
nach Maßen des Patienten,
2. Versorgungsmöglichkeiten unter Berücksichtigung
von Anatomie, Pathologie und Biomechanik,
3. Wirtschafts- und Sozialkunde.
(3) Für den Prüfungsbereich Konstruieren eines
orthopädietechnischen Hilfsmittels nach Maßen des
Patienten bestehen folgende Vorgaben:
1. Der Prüfling soll nachweisen, dass er in der Lage ist,
a) Patientenanamnesen und -beratungen durchzuführen,
b) Arbeitsschritte zu planen und Arbeitsabläufe zu
organisieren,
c) Maße am Patienten zu nehmen und Körperteile
abzuformen,
d) Positivmodelle zu erstellen,
e) orthopädietechnische Hilfsmittel passgenau und
funktionell herzustellen,
f) Versorgungsdokumentationen zu erstellen;
2. hierfür ist unter Berücksichtigung des gewählten
Schwerpunkts aus folgenden Gebieten eines auszuwählen:
a) Prothetik,
b) individuelle Orthetik oder
c) individuelle Rehabilitationstechnik;
3. der Prüfling soll einen betrieblichen Auftrag durchführen,
mit praxisbezogenen Unterlagen dokumentieren,
die Durchführung und die Arbeitsergebnisse
präsentieren und dazu ein auftragsbezogenes Fachgespräch
führen. Das Fachgespräch wird auf Grundlage
der praxisbezogenen Unterlagen geführt. Dem
Prüfungsausschuss ist vor der Durchführung des
betrieblichen Auftrags die Aufgabenstellung einschließlich
eines geplanten Bearbeitungszeitraums
zur Genehmigung vorzulegen;
4. die Prüfungszeit für den betrieblichen Auftrag beträgt
42 Stunden, für die Präsentation höchstens
15 Minuten sowie für das auftragsbezogene Fachgespräch
höchstens 30 Minuten.
(4) Für den Prüfungsbereich Versorgungsmöglichkeiten
unter Berücksichtigung von Anatomie, Pathologie
und Biomechanik bestehen folgende Vorgaben:
1. Der Prüfling soll nachweisen, dass er in der Lage ist,
a) die anatomischen, pathologischen und biomechanischen
Voraussetzungen des Patienten zu
beurteilen,
b) die Krankheitsbilder zu erkennen und daraus resultierende
spezifische Versorgungsmöglichkeiten
abzuleiten und zu begründen,
c) Wirkungsweisen und Funktionen sowie Belastbarkeit
von Hilfsmitteln darzustellen;
2. der Prüfling soll Aufgaben schriftlich bearbeiten;
3. die Prüfungszeit beträgt 150 Minuten.
(5) Für den Prüfungsbereich Wirtschafts- und Sozialkunde
bestehen folgende Vorgaben:
1. Der Prüfling soll nachweisen, dass er in der Lage ist,
allgemeine, wirtschaftliche und gesellschaftliche Zusammenhänge
der Berufs- und Arbeitswelt darzustellen
und zu beurteilen;
2. der Prüfling soll praxisbezogene Aufgaben schriftlich
bearbeiten;
3. die Prüfungszeit beträgt 60 Minuten.
§ 9
Gewichtungs- und Bestehensregelungen
(1) Die einzelnen Prüfungsbereiche sind wie folgt zu
gewichten:
1. Herstellen orthopädietechnischer
Hilfsmittel nach Modell und Abgabe
von Hilfsmitteln mit 20 Prozent,
2. Werkstoffe und Fertigungstechnik mit 10 Prozent,
3. Konstruieren eines orthopädietechnischen
Hilfsmittels nach
Maßen des Patienten mit 40 Prozent,
4. Versorgungsmöglichkeiten unter
Berücksichtigung von Anatomie,
Pathologie und Biomechanik mit 20 Prozent,
5. Wirtschafts- und Sozialkunde mit 10 Prozent.
(2) Die Gesellenprüfung ist bestanden, wenn die
Leistungen
1. im Gesamtergebnis von Teil 1 und 2 mit mindestens
„ausreichend“,
2. im Ergebnis von Teil 2 der Gesellenprüfung mit mindestens
„ausreichend“,
3. in mindestens zwei Prüfungsbereichen von Teil 2 der
Gesellenprüfung mit mindestens „ausreichend“ und
4. in keinem Prüfungsbereich des Teils 2 mit „ungenügend“
bewertet worden sind.
(3) Auf Antrag des Prüflings ist die Prüfung in einem
der mit schlechter als „ausreichend“ bewerteten Prüfungsbereiche
nach Absatz 1 Nummer 4 oder Nummer 5
durch eine mündliche Prüfung von etwa 15 Minuten zu
ergänzen, wenn dies für das Bestehen der Prüfung den
Ausschlag geben kann. Bei der Ermittlung des Ergebnisses
für diesen Prüfungsbereich sind das bisherige
Ergebnis und das Ergebnis der mündlichen Ergänzungsprüfung
im Verhältnis von 2:1 zu gewichten.
§ 10
Bestehende Berufsausbildungsverhältnisse
Berufsausbildungsverhältnisse, die bei Inkrafttreten
dieser Verordnung bestehen, können unter Anrechnung
der bisher zurückgelegten Ausbildungszeit nach den
Vorschriften dieser Verordnung fortgesetzt werden,
wenn die Vertragsparteien dies vereinbaren und noch
keine Zwischenprüfung abgelegt wurde.
§ 11
Inkrafttreten, Außerkrafttreten
Diese Verordnung tritt am 1. August 2013 in Kraft.
Gleichzeitig tritt die Verordnung über die Berufsausbildung
zum Orthopädiemechaniker und Bandagisten/zur
Orthopädiemechanikerin und Bandagistin vom 14. Juni
1996 (BGBl. I S. 847), die durch Artikel 1 der Verordnung
vom 25. August 1998 (BGBl. I S. 2576) geändert
worden ist, außer Kraft.
Berlin, den 15. Mai 2013
D e r Bu n d e s m i n i s t e r
f ü r Wi r t s c h a f t u n d Te c h n o l o g i e
In Vertretung
B . H e i t z e r
* Diese Rechtsverordnung ist eine Ausbildungsordnung im Sinne des
§ 25 der Handwerksordnung. Die Ausbildungsordnung und der damit
abgestimmte, von der Ständigen Konferenz der Kultusminister der
Länder in der Bundesrepublik Deutschland beschlossene Rahmenlehrplan
für die Berufsschule werden demnächst im amtlichen Teil
des Bundesanzeigers veröffentlicht.
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